Die Osterferien hatten begonnen und die „Platessa von Esbjerg“, lag im Hafen von Eckernförde, um für die neue Segelsaison auf Hochglanz gebracht zu werden. Ich war aus Offenbach angereist um wieder einmal, wie schon des Öfteren in der vergangenen Zeit, als Schiffsköchin meines Amtes zu walten. An einem Montag stand ich nun in der kleinen Bordküche und bereitete das Mittagessen zu. Frikadellen, Kartoffelbrei und Rotkraut! Nach dem Essen, ich hatte immerhin 40 Frikadellen gebraten, rochen meine Kleidung und meine Haare so intensiv nach Bratfett, dass ich den Wunsch hatte, ins Schwimmbad zu fahren, zu duschen, um mich von meinen Küchengerüchen zu befreien.
So nahm ich meine Badesachen, samt Handtasche und kuscheligem Bademantel, packte alles ins Auto, fuhr zum Ostseewellenbad und parkte davor auf dem kostenpflichtigen Schwimmbadparkplatz.
Hätte ich vorher schon gewusst, was mich dort erwarten würde, hätte ich besser auf das Badevergnügen verzichtet und hätte zum Duschen die Hafenanlage benutzt. So aber überrollten mich die Ereignisse derart heftig und ich mag gar nicht darüber nachdenken, was Mister Yellow abends seiner Frau erzählt hat. Etwa, über eine meschuggene Touristin, die nicht imstande ist, auf normale Art und Weise, wie andere Leute auch, das Schwimmbad zu betreten, es denn zu nutzen oder ähnliches mehr.
Aber am besten ist es, ich berichte alles der Reihe nach. Es begann damit, dass ich für das Parken einen Parkschein ziehen sollte. Das gefiel mir schon einmal überhaupt nicht. In Offenbach vermeide ich das, wenn ich in der Stadt etwas zu erledigen habe, in dem ich mich auf den Mainuferparkplatz stelle, der kostenfrei zu nutzen ist und wenn ich abends zu meinem Frauenstammtisch fahre, parke ich mein Auto auf dem Wilhelmsplatz, da ist das Parken ab 20.00 Uhr freigegeben. Diesmal konnte ich es aber nicht vermeiden, ging zum Parkscheinautomat und las, was ich alles zu tun hatte, um in den Besitz eines Parkscheines zu kommen. Da ich ja nicht sehr geübt im Parkscheinziehen bin, brauchte ich meine zehn Finger um auszurechnen, wie viel Zeit ich für den Schwimmbadaufenthalt brauchen und was das kosten würde. Schließlich kam ich zu dem Ergebnis, dass ich € 2,50 einwerfen müsse. Der Automat funktionierte großartig, denn nachdem ich das Geld eingeworfen hatte, schoss mir sofort ein Parkschein entgegen. Doch dann erschrak ich ganz furchtbar, stand da doch 9.40 Uhr drauf und es war, nach einem Blick auf meine Armbanduhr, schon 14.00 Uhr. Das gibt es doch nicht, ärgerte ich mich, jetzt ist dieser dämliche Automat kaputt und ich habe mein Geld in den Sand gesetzt. Ich entschloss mich, bevor ich mich noch weiter ärgerte, zuerst einmal das Schwimmbad aufzusuchen, vielleicht konnte mir da jemand einen guten Rat geben. Gleich am Eingang, an der Kasse, saß ein freundlicher Mann in einem gelben T-Shirt. Der Einfachheit wegen, nenne ich ihn ab jetzt Mister Yellow, denn er kommt in meiner Geschichte noch einige Male vor. Völlig genervt berichtete ich also Mister Yellow von meinem Malheur und zeigte ihm den Parkschein. Er schaute sich erst den Schein und dann mich lächelnd an und meinte: „Seien sie beruhigt, das hat schon alles seine Richtigkeit.“
Ich sagte zu ihm: „ Ich bin aber nicht beruhigt. Wie soll das richtig sein, wenn da eine falsche Uhrzeit drauf steht.“
Da sagte Mister Yellow: „Sie haben so viel Geld eingeworfen, dass Sie heute bis 18.00 Uhr parken können“, und etwas süffisant fügte er hinzu, „ und morgen früh können Sie ja wieder kommen, um von 8.00 Uhr bis 9.40 Uhr den Rest der Zeit abzuparken. Haben Sie denn nicht gesehen, dass vor der Uhrzeit, das Datum des morgigen Tages gedruckt ist?“
„Nein, das habe ich nicht gesehen“, antwortete ich kleinlaut. „Vielen Dank für Ihre Hilfe, jetzt werde ich aber erst einmal den Parkschein hinter die Windschutzscheibe legen. Ich möchte nämlich nicht riskieren, noch einen Strafzettel wegen Parken ohne Parkschein zu bekommen. Das hätte mir noch gefehlt.“ Gerade wollte ich die Halle verlassen um zum Auto zu gehen, da ertönte hinter mir ein lautes: „Halt, warten Sie!“ Ich blieb stehen und drehte mich um. Mister Yellow winkte mich zurück zum Kassenhäuschen und sagte: „Heute gibt es ein paar Besonderheiten für die Nutzung des Schwimmbades. Vielleicht ist es besser, sie gleich darüber aufzuklären, um weitere Pannen zu verhindern.“ „Ha“, dachte ich mir, „so einer ist das also. Nur weil ich kurz vor meinem 60. Geburtstag stehe, hält er mich für ein altes Mütterchen, das nicht in der Lage ist, ohne Hilfe das Schwimmbad zu benutzen. Dem werde ich es aber zeigen!“ Doch ich sollte mich sehr täuschen. „Also“, sagte er, „heute ist Montag“, was ich kopfnickend bestätigte. „Am Montag gibt es keine Wellen, die gibt es an jedem Tag der Woche, nur montags nicht.“ Wieder nickte ich mit dem Kopf, zum Zeichen dass ich ihm noch folgen konnte. Also montags keine Wellen! „Und deshalb“, sprach Mister Yellow weiter, „dürfen sie so lange im Schwimmbad bleiben wie sie wollen.“ Verstehend nickte ich wieder mit dem Kopf. „Sie müssen nur beachten, dass sie den blauen Ship, den sie brauchen, um durch die Drehtür zu kommen, heute nicht wieder zurück bekommen und somit brauchen sie eine € 2.- Münze um ihren Kleiderspind abschließen zu können.“
Ich kramte in meiner Handtasche und präsentierte ihm eine solche Münze. Na, geht doch, dachte ich bei mir, jetzt brauche ich nur noch einen blauen Ship. Und dann richtete ich die folgenschwere Frage an ihn. "Wo bekomme ich denn so einen blauen Ship?" Darauf antwortete er mir in einer sogenannten Dummensprache. Wahrscheinlich war er zu dem Schluss gekommen, dass ich ihn anders nicht verstehen würde. „Den Ship, liebe Frau, bekommen sie, sobald sie ihr Eintrittsgeld in den Automat da drüben geworfen haben. Haben sie denn entsprechendes Kleingeld dabei?“ Wieder kramte ich in meiner Tasche und beförderte einen € 10.- Schein ans Tageslicht. „Nein, passendes Kleingeld habe ich nicht dabei, aber sie sitzen ja an der Kasse und können mir sicher wechseln“, sagte ich. „Das“, schleuderte er mir entgegen, „kann ich nicht. Ich sitze zwar im Kassenhäuschen aber ich bin nicht der Kassierer, sondern einer der Bademeister. Der Kassierer macht Mittagspause, folglich ist die Kasse geschlossen. “„Aha“, sagte ich zu Mister Yellow, „nicht genug, dass ich mich mit dem Parkscheinautomat herum geärgert habe, jetzt kann ich nur noch hoffen, dass es mit diesem Automat da drüben besser klappt.“
Bevor ich zum Automat hinüber ging, fiel mir ein, dass ich ja noch zum Auto gehen wollte. Ich deponierte den Parkschein hinter der Windschutzscheibe und holte meine Badesachen, samt kuscheligem Bademantel, der in meiner Geschichte auch noch eine Rolle spielen soll. Als ich zurück kam, stellte ich mich vor den Automat und las die Bedingungen, die ich erfüllen sollte, um an einen blauen Ship zu kommen. Zu meiner Erleichterung sah ich, dass der Automat auch Geldscheine annahm. Das war ja schon mal gut. Aber dann kam für mich der Härtetest, denn man verlangte von mir, für den Tag ohne Wellen, also den Montag, einen Tarif einzugeben. Hilflos stand ich vor dem Automat und sah weit und breit keinen Tarif. Eigentlich hatte ich schon gar keine Lust mehr schwimmen zu gehen, so genervt war ich. Am liebsten hätte ich das nächste Cafe aufgesucht und mir, sozusagen als Nervennahrung, ein riesengroßes Stück Torte, mit einem riesengroßen Pott Kaffee bestellt. Doch ich blieb standhaft, denn auf das Duschen wollte ich auf keinen Fall verzichten. Langsam kam in mir der Zorn hoch. So was kann es doch nicht geben. Habe ich doch mein bisheriges Leben ohne unbekannte Tarife gemeistert. Bei meiner Hochzeit und der Geburt meiner zwei Kinder brauchte ich keinen Tarif, das ging sehr wohl auch ohne. Auch war ich imstande mir eine Fahrkarte für die S-Bahn, von Offenbach nach Frankfurt, zu ziehen und hier stand ich nun vor diesem bescheuerten Automat und suchte nach einem Tarif und das nur, weil der Kassierer Mittagspause hatte und Mister Yellow Bademeister war. Auf einmal stieg in mir eine Ahnung auf. Nein, nicht schon wieder, nicht schon wieder Mister Yellow. Doch es musste sein. Ich drehte ich mich um und ging zurück zum Kassenhäuschen, in dem noch immer Mister Yellow saß und mich mit verhaltenem Grinsen ansah. Er musste mich die ganze Zeit beobachtet haben, denn er wartete meine Frage gar nicht erst ab, sondern hob seine Hand und deutete mit ausgestrecktem Zeigefinger in die Höhe. Ich folgte seinen Bewegungen mit den Augen und da sah ich oben auf dem Automat ein Pappschild, auf dem geschrieben stand, dass heute der Tarif 11 Gültigkeit hatte.
Ohne Mister Yellow noch eines Blickes zu würdigen ging ich wieder zum Automat hinüber, tippte die Nummer 11 ein und war unversehens Besitzerin eines blauen Ships. Voller Stolz nahm ich ihn, sowie das Wechselgeld und einen gedruckten Bon in Empfang. „So, das wäre geschafft“, sagte ich mir, „jetzt musst du nur noch die Drehtür passieren und dann steht deinem Badevergnügen nichts mehr im Wege.“ Doch es kam anders. Nach den Aufregungen der letzten halben Stunde, hatte ich erst einmal das Bedürfnis, die Toilette aufzusuchen. Nachdem ich diese wieder verlassen hatte, galt es nun das letzte Hindernis zu überwinden, die Drehtür. Bepackt mit meinen Badesachen, dem kuscheligem Bademantel, den blauen Ship in der Hand, stand ich kurze Zeit später vor der Drehtür und suchte nach einem Schlitz, in den ich den blauen Ship stecken sollte. Es war wie verhext, ich fand einfach keinen Schlitz. Ich versuchte, so unauffällig wie möglich, zu Mister Yellow hinüber zu schielen, doch er hatte mich schon im Visier. Ich hielt den blauen Ship in die Höhe und zuckte mit den Schultern, was soviel heißen sollte, ich brauche wieder einmal ihre Hilfe. Und prompt verließ er das Kassenhäuschen, kam zu mir, nahm den blauen Ship und steckte ihn von oben in ein kleines viereckiges Kästchen, das neben der Drehtür angebracht war. Da ich nach einem Schlitz suchte, hatte ich das kleine Kästchen gar nicht wahrgenommen. Dann wurde es wieder schwierig, musste ich mich doch mit den Badesachen, samt kuscheligem Bademantel, durch die Drehtür wurschteln. Doch mit der Hilfe von Mister Yellow, der ein bisschen mit der Hand nachschob, packte ich auch diese Hürde. Juhu, jetzt hast du es endlich geschafft, dachte ich für einen kurzen Moment. Doch die bittere Wahrheit erfuhr ich, als ich bekleidet mit meinem Badeanzug, den mit meinen Kleidungsstücken behängten Kleiderbügel, sowie den Bademantel in der einen Hand hielt und mit der anderen Hand nach dem € 2.- Stück suchte. Einem Nervenzusammenbruch nahe, stellte ich fest, dass ich nicht mehr im Besitz meiner Handtasche war. Sie war verschwunden. Einfach weg. Ich hängte den bepackten Kleiderbügel in den nächsten Spind um beide Hände frei zu haben und suchte noch einmal nach meiner Handtasche, jedoch vergebens. Ich zwang mich zur Ruhe und dachte nach, wo sie geblieben sein könnte. Ja natürlich, ich konnte sie ja nur in der Toilette vergessen haben. Und wieder stieg eine Ahnung in mir auf. Mister Yellow! Er musste mir wieder helfen.
Nun kam mein kuscheliger Bademantel zu Einsatz, den ich überzog und den langen Gang entlang eilte, bis ich völlig außer Atem vor dem gläsernen Kassenhäuschen stand. An Mister Yellows irritiertem Gesichtsausdruck sah ich, dass er es nicht fassen konnte, mich schon wieder vor sich stehen zu sehen. Wähnte er mich doch sicher schon im Ostseewasser meine Bahnen schwimmen. Ich stammelte: „Meine Handtasche ist verschwunden, ich habe sie sicherlich in der Damentoilette vergessen. Nun habe ich aber keinen blauen Ship mehr. Seien sie bitte so nett und lassen mich dann wieder zur Drehtür herein.“
Und weiter eilte ich zur Toilette und sah voller Erleichterung meine Tasche neben dem Waschbecken stehen. Ach, war ich froh, diese wieder zu haben, waren doch meine gesamten Besitztümer, wie Geld, Bankkarte, Ausweis, Führerschein und Autoschlüssel darin enthalten. Als ich dann mit der Tasche unter dem Arm die Toilette verließ, stand Mister Yellow schon an der Drehtür um mich wieder einzulassen. Ich bedankte mich bei ihm für seine unerschütterliche Hilfe und er wünschte mir einen angenehmen Aufenthalt im Ostseebad.
Und dann endlich, war es soweit, ich tummelte mich in dem leicht salzigen Ostseewasser. Mittlerweile war ich richtig stolz auf mich geworden. Hatte ich doch mit Mister Yellows Hilfe, wahrhaft tapfer, den Kampf gegen die Automaten gewonnen und alle Hindernisse überwunden. Nachdem ich einige Bahnen geschwommen hatte, kam mir die Idee, mich in dem sprudelnden Whirlpool zu aalen, von dem aus man einen wunderbaren Blick auf die Ostsee hat. Einige Leute hatten schon in dem warmem, sprudelndem Wasser Platz genommen. Ein älterer Herr rief mir launig zu: „Kommen sie nur herein, junge Frau, wir rücken ein bisschen zusammen, dann haben sie auch noch Platz in unserem Eierkocher.“ Ich fand das so nett und gleichermaßen derart komisch, dass ich erst einmal lachen musste. Dann sagte ich: „Das ist aber eine gute Idee, dass die Eckernförder ihre Eier im Schwimmbad kochen, ist das doch um einiges unterhaltsamer als dies zu Hause in der Küche zu tun“, was bei den Leuten im sprudelndem Wasser einiges Gelächter hervorrief.
Bevor ich mich versah, saß ich mit im Whirlpool und als ich dann noch die Story von Mister Yellow zum Besten gab, gab es kein Halten mehr. Die Insassen des Eier-kochers schüttelten sich nur so vor Lachen. Bisher wusste ich gar nicht, dass Eierkochen so lustig sein kann. „Und deshalb, nichts für ungut, Mister Yellow. Es freut mich immer mehr, sie kennen gelernt zu haben!“